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Erste Schulwoche Almut

Das Schuljahr hat schon seit zwei Wochen begonnen, ich komme Anfang September und mir wird versprochen, erst einmal beginne ich mit einer Kurzfassung der Einführungs-Wochen. Freitag vor Schulbeginn stelle ich mich kurz der Schulleitung vor und da heißt es, am Montag beginne ich mit meinem ganz normalen Stundenplan. Denn die ersten zwei Wochen hat mich ein FSJ-ler vertreten, dem kann man das nicht noch länger zumuten. Nun denn, im Moment sieht mein Stundenplan noch ganz entspannt aus, ich habe 16 Stunden Musik in der vierten, fünften und sechsten Klasse und auch eine Doppelstunde am Nachmittag in einer 7. Klasse mit nur 8 Schülern, alles Neueinsteiger in die Schule mit Null Deutschkenntnissen.

Wenn ich ehrlich bin habe ich ja keine Ahnung von Musikunterricht für dieses Alter, ein Glück also, dass ich Markus habe und das ganz frisch überarbeitete MusiX! Ich mache mich also am WE an die Vorbereitung und plane mal eine erste Stunde. Das tolle ist, ich habe 5 fünfte Klassen und 5 sechste Klassen, nachdem die sechsten bisher auch noch keine Ahnung haben von musikalischen Basiskompetenzen kann ich also mit einer vorbereiteten Stunde und leichten Anpassungen 10 mal unterrichten! Mit den Siebtklässlern mache ich dasselbe nur sehr stark vereinfacht und mit vielen DaF-Elementen versehen. Von den vierten Klassen habe ich zwei und eine Kollegin 5, sie hat im letzten Jahr fürs BLI (die Bund-Länder-Inspektion) ein Konzept geschrieben, und ich muss mich nur einpassen und ein bisschen mehr „Musik machen“ einbringen, denn bisher ist alles ganz schön theoretisch – nun ja, das ist in dem Alter kein Problem, das habe ich im letzten Jahr in Cuenca schon gemacht.

Das war also der Plan für meine erste Woche, klingt so ganz entspannt... Doch Markus ist am Sonntag vor Schulbeginn für vier Wochen nach Deutschland geflogen und ich muss jetzt nebenbei ganz alleine die Kinder und deren Schulanfang koordinieren. Also ist jede freie Minute zwischen, vor und nach den Stunden mit Organisation belegt: Materialien für die Kinder, Kurswahlen, Fragen nach dem wohin und wann. Außerdem die Organisation meines eigenen Lehrerdaseins: ich habe durch mein Zuspätkommen alles Infos verpasst und muss nun die richtigen Fragen stellen um die richtigen Antworten zu bekommen. Einen großen Vorteil hat das: mir bleiben die ganzen unwichtigen Informationen erspart und ich brauche nur nach dem zu fragen, was mich auch interessiert.

 

Für die Zukunft bleibt es natürlich nicht bei diesen wenigen Stunden. Meine Hauptaufgabe soll es ja sein, einen Chor aufzubauen. Die Idee ist nun, in den dritten und vierten Klassen im Laufe des Vormittags mit einer Singpause zu starten, mich und das Konzept in allen Klassen bekannt und beliebt zu machen und dann aus den 280 Schülern die rauszupicken, die Lust auf mehr Singen haben. Dazu habe ich aber noch ein bisschen Zeit. Im Dezember zum Weihnachtskonzert soll dann vom Chor schon was dabei sein...

 

Ach ja, und auch von der Flötengruppe, denn die vierten Klassen sollen Flöte spielen lernen! Klassenunterricht mit Blockflöte ist so ziemlich das Schlimmste was man sich vorstellen kann, und so hat die Kollegin der vierten Klasse die tolle Idee, die Flöten bis zu den Herbstferien erst mal stecken zu lassen, dann ein bisschen zu pfeifen, und nach den Weihnachtsferien verschwinden sie dann wieder im Nirwana. Auf meine kritische Nachfrage, was denn die Idee hinter dem Flötenkonzept sei, ob die Schüler damit musikalische Basiskompetenzen erwerben, später dann ein anderes Instrument lernen können oder was auch immer, gab es keine Antwort. Daraufhin habe ich angeregt, die Flöterei ganz sein zu lassen. Doch jetzt haben alle eine Flöte gekauft, also wird auch geflötet – nun denn... Ich darf meine Ohrenstöpsel nicht vergessen!

 

Viel Zeit verbringe ich mit den Mitarbeitern von Sistemas. Ich habe eine Karte für meinen Musikraum bekommen, doch jeden Tag funktioniert sie wieder nicht. Dann brauche ich Zugang zum Computer im Musikraum, um meine Musik abspielen zu können, auch das brauche ich jeden Tag wieder aufs neue Unterstützung. Die Türen zur Schule und in den Verwaltungsbereich öffnen sich für Lehrkräfte ganz hochmodern mit Fingerabdruck, der einmal eingespeichert dann eigentlich alle Türen öffnen sollte. An dem eigentlich könnt ihr schon erkennen, dass auch diese Technik nicht problemlos funktioniert. Jeden Tag stehe ich erneut vor verschlossenen Türen und lerne viele Kollegen kennen, denen ich zuwinken muss, damit sie mich reinlassen.

 

Damit wären wir bei den Kollegen. Bisher hatte ich nur nette Kontakte, die deutschen Kollegen sind alle ausnahmslos total hilfsbereit und unterstützen mich wo sie nur können. Wann immer ich hilflos vor einer Frage, einer Tür oder dem mir jeden Tag wieder nicht zugängigen Computer stehe, immer kommt sofort jemand mit Rat und Tat, auch mit Zeit für ein Gespräch und einer Einladung zum Kaffeetrinken. Die Grundschulleiterin Erika ist ein gutgelauntes Engergiebündel im letzten Jahr vor der Pensionierung mit Verständnis für alles, der Oberstufenleiter ein sympatisch sportlicher Kerl, der sich immer Zeit für meine Jungs nimmt und wo immer ich gehe und stehe wird mir Sympathie entgegengebracht. Das sorgt für eine angenehme und sich gegenseitig anerkennende und unterstützende Arbeitsatmosphäre, die ich in Cuenca so vermisst habe.

 

Was dem ganzen ein bisschen einen Dämpfer aufsetzt sind die Präfekten – am ersten Tag dachte ich noch, oh wie aufmerksam, da ist jemand da, der schaut ob ich auch in mein Klassenzimmer komme (natürlich stand ich wieder mal vor verschlossener Tür und kam nicht rein, da kam ein Präfekt und hat mir aufgemacht)! Und am nächsten Tag hatte ich den Eindruck, dass er extra kam, um zu sehen, ob mein Computer jetzt geht. Als das nicht der Fall war, hat er für mich jemanden von Sistemas geholt, der das wieder in Ordnung brachte. Bis mich dann eine Kollegin aufklärte, dass die Präfekten dazu da sind, die Lehrer zu überwachen, ob wir pünktlich zum Unterricht erscheinen, unsere Aufsichtspflicht erfüllen und die Vertretungen machen, die uns zugeteilt werden. Na super, vom Regen in die Traufe. Was in Cuenca noch verdeckt von oben geschah, ist hier ganz offensichtliche Kontrolle. Schade eigentlich, dass die deutschen Auslandsschulen anscheinend nicht ohne Kontrolle funktionieren!

 

Um abschließend die erste Schulwoche zu bewerten: es war eine gute Woche mit vielen positiven Erfahrungen; die Schüler verstehen überraschend gut Deutsch, auf Fragen können sie schon in der vierten Klasse mit verständlichen Sätzen antworten; die Disziplin ist tausendmal besser als in Ecuador, obwohl es natürlich in jeder Klasse ein paar Knaller gibt (und die 6B ist total schrecklich – aber dazu an anderer Stelle mehr); die Atmosphäre ist gut, mir gefällt es, Musik zu machen und wieder Klavier zu spielen; und besonders schön waren die Stunden mit den Neueinsteigern aus der 7. Klasse!

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