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Erste Schulwoche der Kinder in Mexiko

Nun haben wir es geschafft, die erste Woche an der deutschen Schule ist überstanden! Es war unglaublich anstrengend – wer hätte das gedacht? Und irgendwie befriedigend, denn eigentlich sagen alle Beteiligten, dass es eine große Verbesserung wäre.

Warum "eigentlich"?

 

Nun, Linda ist zufrieden wie eh und jeh, und nach kurzen Anlaufschwierigkeiten hat sie jetzt schon einige Freunde gefunden und macht Pläne für ihre Geburtstagsfeier (die aber ja erst im Februar ist!). Sie ist gleich in unserer ersten Woche hier mit Ingrid vom Kindergarten mitgegangen. Am ersten Tag hat sie noch viel beobachtet und sich auch mal unter ihre Kapuzenjacke verkrochen, um ein bisschen Privatsphäre zu haben. Als Ingrid das beobachtet hat, hat sie ihr angeboten, sie bei der Suche nach Spielkameraden zu unterstützen. Linda hat das gerne angenommen. Am zweiten Tag war sie zu müde, um sich der neuen Umgebung erneut zu stellen, am dritten Tag war sie aber wieder voll dabei. Und als wir anderen dann in der ersten Septemberwoche als neue Hasen starteten, war sie schon alles gewöhnt und konnte so auch gleich die Nachmittagsbetreuung besuchen, da wir anderen jeden Tag mindestens bis 14:30 an der Schule sind.

 

Für Mirjam ist die Herausforderung wieder einmal sehr groß. Sie ist jetzt in der fünften Klasse, das ist hier in Mexiko noch Grundschule. Doch sie hat jeden Tag 7 Stunden Unterricht, Montags sogar 8, und das ohne relevante Mittagspause. Zwischen den Stunden sind immer 5 Minuten Pause, zweimal etwas länger, aber sonst geht es durch. Das strengt Mirjam sehr an! Sie hat noch ein anderes deutsches Mädchen in der Klasse, Lea, die auch neu ist, und so ein bisschen seelische Unterstützung. Die beiden gehen zusammen in den Unterricht, der speziell für die deutschen Kinder ist: Deutsch als Muttersprache (DaM), Spanisch als Fremdsprache (SpaF), deutsche Geschichte, Geografie auf Deutsch – ich glaube das wars. Mathe hat sie auch auf Deutsch, Musik bei mir, auch auf Deutsch, Englisch auf Englisch (na klar!) und dann bleibt nicht mehr viel auf Spanisch. Das heißt, sie hat es tatsächlich jetzt viel leichter. Doch die Anstrengung ist nicht zu unterschätzen und Mirjam ist nicht so belastbar – entsprechend geschafft kommt sie aus der Schule und verzweifelt wie eh und jeh an den Hausaufgaben (und an ihren großen Brüdern, die kein Verständnis für ihre Situation zeigen und nicht das Zanken und Ärgern aufhören können).

 

Bastian wirkte in der ersten Zeit ganz zufrieden mit der neuen Schule. Er hat wie Mirjam auch DaM und SpaF und noch mehr Fächer auf Deutsch. Für ihn ist die große Herausforderung, dass er auch nur einen anderen deutschen Jungen in der Klasse hat, den aber blöd findet. Er ist außerdem gefordert mit ständigen Klassenzimmer-Wechseln und weiß oft nicht, wohin. Durch den verspäteten Einstieg (die anderen Schüler haben schon zwei Wochen Unterricht gehabt, als wir kamen) fehlen ihm die Anfangsinformationen, Materialien und die Übersicht über die Schule. Gleichzeitig macht er alles mit stoischer Ruhe mit, lässt dafür aber dann mal zu Hause die pubertäre Sau raus und treibt mich damit zur Verzweiflung. Er hat einige coole Fächer, die wir so aus Deutschland und auch aus Mexiko nicht kennen: eines heißt Technik und noch irgendwas. Die Schüler können sich aus verschiedenen Bereichen etwas aussuchen – Roboter bauen, Garten, Autos zerlegen – und dreimal dürft ihr raten, für was sich Bastian entschieden hat: na klar, fürs Autos zerlegen. Davon war er auch sehr begeistert, und es kommt ihm sehr zu gute, dass er schon so gut Spanisch versteht und sich auch verständigen kann. Außerdem gibt es ein Fach, das sich Förder- und Individualisierungs-Stunde nennt. Wir wussten damit erst nichts anzufangen und mussten uns vom Sekundarstufenleiter dazu beraten lassen: Die Schüler bekommen einen Wochenplan, der aber nicht vom Lehrer vorgegeben wird, sondern von den Schülern selbst gestaltet wird. Sie sind verantwortlich für Material für diese Stunde und können jeden Lehrer nach Zusatz-Arbeit fragen, egal ob sie was nicht verstanden haben und noch mal übern wollen oder ob sie sich für irgendwas besonders interessieren und dazu mehr wissen wollen. Hier soll das selbstorganisierte Lernen gefördert werden. Benotet wird, ob sie sich kümmern und immer was zum Arbeiten dabei haben. Nichtsdestotrotz war Bastian nach der ersten Woche sehr angestrengt, hat ein längeres Wochenende zum Erholen beantragt und will wie immer wieder nach Hause, nach Deutschland. Immer noch stellt er den Auslandsaufenthalt in Frage und will nicht verstehen, warum wir nicht einfach ein Deutschland geblieben sind.

 

Für Niklas war die erste Woche gut. Er ist inzwischen ja nun echt groß und selbstbewusst selbstständig. Das erste Mal seit langem macht er wieder selbstständig Hausaufgaben und richtet sich seine Schulsachen her. Er schimpft nur über die Ethik-Lehrerin, die immerhin nicht ganz so schlimm sein soll, wie Frau Blühdorn vom Goethe-Gymnasium in Bensheim (seine ehemalige Reli-Lehrerin). Ethik ist auf Spanisch und das ist allerdings wohl nicht so ganz einfach. Für ihn ist die Situation gut so und er sagt auch schon mal, dass er länger bleiben will. Ach ja, bei Niklas gab es ein paar Anfangsverwirrungen. Der Schulleiter Herr Czaska hat mir am Anfang gesagt, dass er Niklas in Mathe hätte. Jeden Tag habe ich wieder nachgefragt, doch Niklas hat das immer wieder verneint. Dann haben wir vermutet, dass sich der Schulleiter getäuscht hat und vielleicht Bastian in Mathe hat, doch der hat das auch bestritten. Schließlich hat sich herausgestellt, dass der Sekundarstufenleiter Niklas an seinem ersten Schultag in die falsche Klasse gebracht hat. Nachdem er dort aber scheinbar zufrieden war, haben wir daran nun nichts mehr geändert. Sein Klassenleiter hat ihn in Technik als neuen Schüler in die Garten-Gruppe gesteckt. Das scheint Niklas Spaß gemacht zu haben, denn er hat mir stolz sein von Unkraut befreites Stück Land gezeigt. Doch da ihn die Mücken in der Zeit sehr zerstochen haben, wollte er nicht mehr dorthin. Ab dieser Woche ist er in der Roboter-Gruppe und schweißt und lötet und programmiert dort z.B. bewegliche Oberarme u.ä. Da bin ich ja mal gespannt!

 

Nach der letzten Unterrichtsstunde um 14:35 treffen wir uns alle in der Cafeteria und essen dort gemeinsam Mittag. Die Auswahl ist begrenzt, das Menü um diese Uhrzeit nicht mehr immer verfügbar und selten werden die Kinder satt. Der Ensalada Humboldt ist aber jetzt schon mein Lieblingsessen und auch die Jungs greifen ab und zu darauf zurück – zumindest als Beilage.

 

Die Schule hat sich aus Sicherheitsgründen total von der Außenwelt abgeschnitten. Schon weit vor Beginn des Schulgeländes kann man sich nur durch drei bewachte Tore der Schule nähern. Die jeweiligen Eingänge ins Schulgelände sind ebenfalls gut bewacht und mit allerlei elektronischem Schnick-Schnack ausgestattet. So muss man zum Beispiel am Eingang zum Kindergarten eine Karte an ein Lesegerät halten, anschließend erscheint auf einem Bildschirm über der Tür das Foto der abholenden Person mit den Fotos aller Kinder, die berechtigt sind, mit dieser Person den Kindergarten zu verlassen.

Die Schüler der Schule können nur durch den Haupteingang mit einer elektronischen Eintrittskarte die Schule betreten. Nachdem die bei Sistemas (die Computer-Abteilung) nicht die schnellsten und die hellsten sind, haben die Kinder noch keine Karte und müssen immer von mir in die Schule eingeschleust und rausgeschmuggelt werden. Das erste Mal bekamen wir bei der Security Probleme, doch inzwischen kennen die uns und wir dürfen immer passieren.

 

Nun, ich finde dennoch, dass im Großen und Ganzen alles eigentlich ganz unkompliziert und reibungslos verläuft und die erste Woche „eigentlich“ ein Erfolg war.

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