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Unser Visum - Stapelweise Papier und einige Nerven

„Wir kümmern uns um alles, um Ihr Visum und die Visa für Ihre Familie!“ – So hatte es uns der Schulleiter versprochen, als wir den Vertrag unterschrieben haben. Dann hörten wir monatelang nichts vom Visum. Auf Nachfrage hieß es immer, „mit der neuen Regierung ist alles anders und wir müssen erst herausfinden, wie das jetzt geht.“ Nur wenige Wochen vor unserer Abreise hieß es dann plötzlich, das mit dem Visum machen wir dann erst in Ecuador. Wir sollten mit dem normalen Touristenvisum einreisen, alles weitere dann vor Ort.

 

Das bereitete uns ein bisschen Bauchschmerzen, denn wir hatten inzwischen einen One-Way-Flug gebucht, aber ein Visum, das erklärt, warum wir keinen Rückflug hatten. Der Wunsch nach einer Bestätigung der Schule, dass ich dort eine Lehrerstelle habe, wurde abgelehnt. Ich dürfe bei der Einreise auf keinen Fall verraten, dass ich an der deutschen Schule arbeite. Alles sehr mysteriös. Leider war es zu spät, um sich in Deutschland noch um ein Visum zu kümmern, und so mussten wir darauf vertrauen, dass uns Familie mit den vier süßen Kindern bei der Einreise keiner ins Gefängnis stecken würde.

 

Die Einreise klappte dann ja auch tatsächlich total problemlos – kein Mensch interessierte sich für uns oder ein Visum.

 

Kaum waren wir da, begann dann der Papierkrieg. Über die Bürokratie hier in Ecuador habe ich ja schon einmal geschrieben. Ich glaube, ich habe in den letzten vier Wochen bestimmt 18 Stunden bei Anwälten, Notaren und Ämtern verbracht, nur um die Visa zu bekommen. Der Schulanwalt hat eine Akte über uns, die inzwischen mehrere Zentimeter hoch ist, und inzwischen liefern wir und insbesondere Almut Unterschriften („bitte ganz genau so wie im Reisepass!“) im Schlaf. Alle Dokumente werden erst von Anwaltsgehilfen erstellt, dann unterschrieben – mindestens einmal auf jeder Seite, dann mehrfach gestempelt. Leere Seiten werden mit einem extra Stempel versehen, der sie als leere Seiten ausweist, dann wird alles von der Stempel-Bevollmächtigten abgezeichnet. Letztendlich, damit auch alles seine Richtigkeit hat, muss es dann noch vom Notar bestätigt werden, der wiederum alles abzeichnet.

 

Letztendlich fehlten nur noch unsere Fingerabdrücke und ein Passbild. Das klingt jetzt relativ einfach, doch das Passbild muss in der Regierung von Ecuador gemacht werden und die befindet sich nun mal in Quito. Also werden wir alle nach Quito geflogen.

 

In Quito angekommen holt uns am Montag früh um 6:30 (!!!) ein Taxi ab. Zum Glück dürfen die Kinder ausschlafen. Wir fahren zum Polizei-Präsidium, wo schon eine lange Schlange von Menschen ansteht, die alle Fingerabdrücke machen müssen. Unsere Kontakt-Person steht schon seit 5:30 an, damit wir als erste dran kommen, wenn um 7:30 das Präsidium öffnet. Sie ist völlig durchgefroren, was wir nach einer Dreiviertelstunde in der Kälte ebenfalls nachvollziehen können.

Dann öffnen sich die Türen, eingelassen wird nach strenger Kontrolle nur, wer auch das richtige Formular und seinen Reisepass zur Hand hat. Dann folgt für die ersten 16 Personen eine ausführliche Instruktion der Vorgehensweise: Ist das Formular richtig ausgefüllt? Reisepass parat? Dann erst zum Fingerabdrücke nehmen, danach zum ersten Polizei-Beamten für keine Ahnung was, anschließend zum nächsten Polizei-Beamten für keine Ahnung was anderes. Fertig!

Man muss ja sagen, alle waren ziemlich höflich und hatten auch Verständnis für unsere Sprach-Probleme, denn alles war natürlich auf Spanisch und unsere Begleitung musste weiterhin in der Kälte vor der Tür stehen. Trotzdem fühlten wir uns ein bisschen wie Verbrecher, als sämtliche unsere Fingerabdrücke ganz altmodisch mit schwarzer Stempelfarbe erst einzeln rechte und linke Hand jeder Finger, dann ganze Hand rechts und links und schließlich noch einmal der Daumen extra genommen wurden. Jetzt sind wir also registriert.

Dieser ganze Vorgang dient dazu, ein ecuadorianisches Führungszeugnis ausgestellt zu bekommen. Denn schließlich hielten wir uns zu diesem Zeitpunkt bereits drei Wochen in Ecuador auf und hätten schon mindestens drei Banken überfallen und fünf Morde begehen können ... ? ! ? Vorsichtig ausgedrückt à la Oberlix und Asterix: "Die spinnen, die Ecuadorianer!" Mit diesem Führungszeugnis konnten wir dann am nächsten Tag in der Regierung von Ecuador endlich unser Visum beantragen. Dazu saßen wir stundenlang im Wartebereich während unsere Kontaktperson wieder seitenlange Formulare ausfüllte, die ich - oh Wunder – gar nicht mal unterschreiben musste! Schließlich wurden wir noch fotografiert: neutraler Blick, geradeaus in die Kamera, nein noch einmal bitte! Ich glaube bei Linda brauchten sie fünf Versuche, bis sie endlich schnell genug waren, ihren Blick in die Kamera einzufangen, bevor etwas anderes wieder ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Ich glaube, das war’s jetzt dann tatsächlich von unserer Seite aus. In zwei Wochen müssen dann unsere Pässe noch einmal nach Quito, aber da kümmert sich dann unser Anwalt drum. Dann wird das Visum eingetragen.

Ach so, fast hätte ich es vergessen zu erwähnen. Ich bekomme gar kein Arbeitsvisum. Beim Arbeitsvisum müssen nicht nur Steuern gezahlt werden, sondern auch noch Sozialabgaben für Rente usw. Und nachdem ich hier eh keine Rente beziehen werde, will sich die Schule diese Abgaben sparen. Wir waren also die Versuchskaninchen für ein Kulturvisum, bei dem diese Abgaben wegfallen. Nun ja, es sieht jetzt so aus, als hätten wir es fast geschafft, bleiben zu dürfen.

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